"Wir wappnen uns für Widerstand"

Vorschaubild

02.10.2009 Thomas Wamsler, Geschäftsführer und 2. Bevollmächtigter der IG Metall Lörrach zur neuen schwarz-gelben Bundesregierung

Quelle: Badische Zeitung,02. Oktober, Daniel Gramespacher

LÖRRACH. Betrachtet man die wirtschaftlichen Zahlen in der Metall- und Elektroindustrie, steht eine Kündigungswelle auch in der Region unmittelbar bevor. Dass diese bislang ausgeblieben ist, schreibt Thomas Wamsler von der IG Metall den gemeinsamen Anstrengungen von Betrieben, Gewerkschaft und Politik zu. Der Zweite Bevollmächtigte und Geschäftsführer der Lörracher Verwaltungsstelle befürchtet allerdings, dass sich die Zusammenarbeit mit der neuen schwarz-gelben Bundesregierung erheblich verschlechtert. "Im vergangenen halben Jahr haben wir es gemeinsam mit der Politik geschafft, wirksame Instrumente wie die Kurzarbeit zu entwickeln und in den Betrieben umzusetzen", stellt Wamsler fest. So schrumpfte die Produktion in der baden-württembergischen Metallund Elektroindustrie um 24,5 Prozent; die Zahl der Arbeitsplätze sank aber nur um 4,4 Prozent. Auch im Bezirk der Arbeitsagentur Lörrach, also den Landkreisen Lörrach und Waldshut, habe es trotz Finanz- und Wirtschaftskrise nicht mehr Massenentlassungen gegeben als sonst. Gelungen sei dies nur, weil die Gewerkschaft in der Großen Koalition einen Zugang zu Regierung und Ministerien hatte.

Diese gute Zusammenarbeit würde Wamsler gerne fortsetzen, sieht aber erhebliche Hindernisse. "Den Politikwechsel, den die FDP fordert, wollen wir nicht." Denn der bedeute, dass eher Steuern gesenkt werden als Kurzarbeit finanziert wird. Auch regional haben sich nach Wamslers Ansicht die Kontakte verschlechtert: Zur bisherigen Waldshuter SPDAbgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter, die den Wiedereinzug in den Bundestag knapp verpasst hat, hatte die IG Metall einen deutlich besseren Draht als zum verbliebenen CDUAbgeordneten Thomas Dörflinger. Mit Armin Schuster, dem neu gewählten Abgeordneten im Wahlkreis Lörrach-Müllheim, hatte die IG Metall bislang keinen Kontakt. In den Wochen nach der Konstituierung will Wamsler aber das Gespräch mit dem CDU Politiker suchen. "Ohne den Draht der Akteure vor Ort in den Bundestag lassen sich Arbeitsplätze in der Region nicht erhalten", ist er überzeugt.

Ausgerechnet die jungen Facharbeiter sind die Leidtragenden der Krise

Der Gewerkschafter fürchtet, dass vor allem der Kündigungsschutz gelockert wird. Dies sei unsinnig, weil fast jeder neue Arbeitsvertrag ohnehin befristet sei. Verlierer der Krise seien denn auch die Facharbeiter unter 25 Jahren, die sonst händeringend gesucht werden. Laufen deren Arbeitsverträge aus, gehören sie zu den Ersten, die gehen müssen. Wenn betriebsbedingte Kündigungen attraktiver werden, würden diese auch ausgesprochen, fürchtet Wamsler.
Die Entwicklung bei den Firmen geht nach seiner Kenntnis in gegensätzliche Richtungen: Die einen bekommen wieder Aufträge, weil die Lager leer sind oder sie Produkte herstellen, die gebraucht werden; die Automobilzulieferer profitierten von der Abwrackprämie; der asiatische Markt, der überraschend stark anzieht, sei für diese Branche ein neuer Hoffnungsschimmer. Die Maschinenbauer dagegen mit Auftragseinbrüchen um 30 bis 50 Prozent litten nach wie vor stark unter der Finanzkrise. Diese Betriebe müssten sich längerfristig auf ein zurückgehendes Niveau einstellen. Gefragt sei nun langer Atem. "Je mehr Zeit wir gewinnen mit verlängerter Kurzarbeit, um Arbeitnehmer vor dem Absturz in die Armut von Hartz IV zu bewahren, desto besser für die Region." Umgekehrt: Wenn Betriebsvereinbarungen, in denen etwa mit Verzicht auf Urlaubsgeld sichere Arbeitsplätze erkauft wurden, in den kommenden Monaten auslaufen, und die Bundesregierung Kurzarbeit und andere Instrumente zurückfährt, wäre das fatal. Die IG Metall will abwarten, was in der Koalitionsvereinbarung zwischen Union und FDP steht. Kommt es zum sozialen Kahlschlag, kündigt Wamsler den Widerstand der Gewerkschaft an - über die Betriebsräte in den Firmen, aber auch öffentlich. Dass gut 70 Prozent der Beschäftigten auf Geld verzichtet haben, um die Arbeitsplätze aller zu erhalten, wertet Wamsler als "unglaubliche solidarische Leistung", und er fügt hinzu: "Wenn angegriffen wird, werden wir diese Solidarität am Ende auch auf die Straße tragen."

Letzte Änderung: 02.10.2009